Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.
(DEHOGA Bundesverband)


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Hans Schneider, Vorsitzender Bundesausschuss für Berufsbildung, DEHOGA Bundesverband, über die Wege in die Gastronomie

Anlässlich einer Anfrage von MPULSE teilte der DEHOGA mit:

 

Ihre Person

Wie war Ihr persönlicher Weg in die Gastronomie?
(Ausbildung und berufliche Laufbahn)

Mein Weg in die Gastronomie begann 1981 mit einer Ausbildung zum Koch im Sternerestaurant Bammes in Nürnberg. Meine erste Stelle als Fachkraft hatte ich als Souschef im Hotel Bachmair in Weissach am Tegernsee. 1995 habe ich meinen Küchenmeister gemacht und bilde seitdem auch mit viel Freude und Einsatz aus. Erstmals habe ich mich 1986 selbständig gemacht und das bin ich – mit verschiedenen Stationen – bis heute. Ich führe den Landgasthof-Hotel Riesengebirge in Neuhof an der Zenn in der Nähe von Nürnberg. Sehr froh bin ich darüber, dass die Übergabe an die nächste Generation schon weit fortgeschritten ist und wir stets als Unternehmerfamilie denken und handeln. Seit vielen Jahren bin ich in Bayern und auf Bundesebene im DEHOGA im Bereich Berufsbildung aktiv sowie auch als Prüfer bei der IHK, weil ich es ungeheuer wichtig finde, dass wir Unternehmer uns tatkräftig für unseren Branchennachwuchs engagieren und Verantwortung übernehmen. Wenn wir nicht selbst in Ausbildung investieren, werden wir zukünftig auch keine guten und motivierten Fachkräfte erwarten können. Ich habe am eigenen Leib erlebt, wie prägend und wie wertvoll eine gute Berufsausbildung für die Karrierechancen ist. Deshalb habe ich mich mit Leidenschaft und voller Überzeugung bei der Neuordnung der gastgewerblichen Berufe und auch bei der Initiative TOP-Ausbildungsbetrieb engagiert.

Ihre Initiative

Was ist die Grundidee und das Ziel der Initiative „Top-Ausbildungsbetrieb“?

Jugendliche und ihre Eltern wünschen sich verlässliche Informationen darüber, wo sie eine gute Ausbildung absolvieren können. Gleichzeitig wollen die engagierten Ausbildungsbetriebe präsentieren, dass sie als Ausbildungsbetrieb TOP sind und besondere Ausbildungsqualität und Rahmenbedingungen für Auszubildende bieten. Denn der Ausbildungsmarkt ist aufgrund des demografischen Wandels mittlerweile ein Bewerbermarkt geworden und die Betriebe müssen um motivierte Azubis werben. Mit TOP-Ausbildungsbetrieb haben wir die zuvor existierenden regionalen Ausbildungssiegel abgelöst und inhaltlich auf ein neues Level gehoben. Was uns von ähnlichen Initiativen unterscheidet ist, dass bei TOP-Ausbildungsbetrieb die Azubis selbst die Einhaltung der Qualitäts-Leitsätze prüfen und bestätigen. Das verleiht den Auszeichnungen natürlich eine sehr hohe Glaubwürdigkeit und Authentizität. „Wer wenn nicht wir“ lautet der Aufruf an unseren Berufsnachwuchs. „Wer wenn nicht wir“ kennen und beurteilen die Angaben unseres Ausbildungsbetriebes am besten? Ich sage, das Zertifikat TOP-Ausbildungsbetrieb ist deshalb das ehrlichste seiner Art! Darüber hinaus unterstützen wir als DEHOGA die TOP-Ausbildungsbetriebe bei der Gestaltung ihrer Ausbildung und beim Nachwuchsmarketing, z.B. durch Webinare und über Instagram.

Ausbildung und Karriere allgemein

Wie wird man eigentlich Gastronom? Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es? Welche Ausbildung ist typisch? Welche aus Ihrer Sicht ideal?

Als ideal bewerte ich eine duale Ausbildung in einem gastgewerblichen Beruf, z.B. als Koch/Köchin, als Fachmann/-frau für Systemgastronomie oder als Fachmann/-frau für Restaurants und Veranstaltungsgastronomie. Diese bieten eine hervorragende Basis. Wer sich erfolgreich selbstständig machen will, sollte darüber hinaus unbedingt kaufmännische Grundlagen erwerben. Das kann man z.B. über eine Meisterfortbildung oder den DEHOGA-Unternehmerbrief erreichen. In unseren neu geordneten Ausbildungen, die am 1. August 2022 in Kraft treten, sind übrigens einige solcher Kompetenzen bereits in die Erstausbildung integriert. Wenn die Zahlen nicht stimmen, helfen auch die besten fachlichen Qualifikationen und die größte Kreativität nichts. Rein rechtlich gibt es aber keine Zugangshürden für eine Betriebsgründung als Gastronom. Ich möchte sagen: Leider.

Welche Karrieren sind möglich und typisch?

Das ist so bunt und vielfältig wie die Branche selbst! Ein Sternekoch hat natürlich einen ganz anderen Karriereweg hinter sich als ich als Unternehmer mit Landgasthof. Was man generell sagen kann: Wirklich besonders und ziemlich einzigartig in unserer Branche ist es, dass der größte Teil der Unternehmer und Führungskräfte tatsächlich mit einer dualen Berufsbildung begonnen und sich hochgearbeitet hat. Das gilt selbst für General Manager in großen Hotels oder Konzernen.

Welche Rolle spielt Fort- und Weiterbildung? Welche Möglichkeiten gibt es, um sich fort- und weiterzubilden?

Die praktische Berufserfahrung ist extrem wichtig. Aber: Ohne Weiterbildung geht es nicht, wenn man sich fachlich und auch persönlich weiterentwickeln will! Bewährte und nach wie vor gute Wege sind z.B. Meisterfortbildung. Bachelorstudiengänge nehmen zu. Aber auch kürzere, themenspezifische Weiterbildungen z.B. zu Marketingthemen, Mitarbeiterführung, Controlling können einen richtig weiterbringen.

Was macht eine Karriere in der Gastronomie attraktiv?

Ich persönlich finde das handwerkliche und kreative Arbeiten mit Lebensmitteln ungeheuer reizvoll, regionale Spezialitäten meiner fränkischen Heimat  (wieder)zu entdecken und aus Überzeugung und aus nachhaltigen Aspekten meinen Gästen nahezubringen. Dabei nehme ich wahr, und das bestätigt meine Ausrichtung, dass Gäste regionale und saisonale Produkte bevorzugen, auch wenn diese manchmal höher bepreist sind. Ich bin – trotz aller Herausforderungen - sehr gerne Unternehmer und mein eigener Herr. Für viele andere sind die hervorragenden internationalen Perspektiven besonders attraktiv. Dass man so viele unterschiedliche Regionen und Mentalitäten kennenlernen kann. Das intensive Kommunizieren mit Menschen und die Arbeit im Team. Sich in einer eleganten Hotelwelt ebenso bewegen zu können wie im lässigen Ferienressort oder auf Promi-Events. Das Großartige ist ja, das die vielfältigen Unternehmen und Berufe unserer Branche für ganz unterschiedliche Menschen auch ganz unterschiedliche Möglichkeiten bieten.

Welche Vorrausetzungen sollten Menschen mitbringen, die in der Gastronomie arbeiten?

Das Wichtigste für einen erfolgreichen Berufsstart im Gastgewerbe sind Teamfähigkeit und die Motivation, für die Gäste da zu sein. Eine gewisse Stressresistenz und Organisationstalent sind im Alltag von Vorteil. Alles andere kann man lernen. Besonders geeignet für die Arbeit in der Küche sind handwerklich geschickte und kreative Menschen. Wichtig sind ein guter Geschmackssinn und Sorgfalt. Bei den eher servicebezogenen Berufen im Restaurant, bei Veranstaltungen und im Hotel sind Kommunikations- und Verkaufstalent wichtig, die Nachwuchskräfte sollten aufgeschlossen, offen und freundlich sein.

Welche Rolle spielen Quereinsteiger in der Gastronomie?

Ohne die Bedeutung der Fachkräfte irgendwie schmälern zu wollen: Eine große. Ohne die vielen Quereinsteiger, angelernten Kräfte und Aushilfen könnten viele Betriebe der Branche nicht erfolgreich am Markt agieren.

Wie ließe sich mehr Nachwuchs für die Gastronomie gewinnen?

Das müssen wir an vielen verschiedene Schrauben drehen. Ein sehr wesentlicher Schritt in die Anfang August in Kraft tretende Neuordnung unserer gastgewerblichen Ausbildungsberufe. Diese macht die Branche nochmal deutlich attraktiver für die Jugendlichen. Generell ist mir das Thema Ausbildungsqualität sehr wichtig, nicht nur bei uns in den Betrieben, auch in der Berufsschule. Die Bedeutung von Nachwuchsmarketing wächst permanent, insbesondere über digitale Kanäle aber auch z.B. über Praktika oder im Dialog mit Schulen. Und auch der Blick ins Ausland wird angesichts der Demografie unverzichtbar.

Welche Unterschiede gibt es in Sachen Ausbildung und Karriere im internationalen Vergleich?

Mit dem System der dualen Berufsausbildung sind wir in Deutschland gewissermaßen die Exoten. In Österreich und der Schweiz gibt es ähnliche Systeme und wir zeichnen uns deshalb durch eine im internationalen Vergleich außerordentlich geringe Jugendarbeitslosigkeit und funktionierende Übergänge in den Beruf aus. Viele andere Länder versuchen, Elemente der dualen Ausbildung zu kopieren, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Akademische Studiengänge wie Hospitality Management sind dagegen auch international verbreitet. Wir wissen, dass unsere ausgebildeten Fachkräfte hervorragende Möglichkeiten auf dem internationalen Arbeitsmarkt haben, weil sie so praxisnah und operativ ausgebildet wurden. Umgekehrt ist es für uns hier in Deutschland nicht leicht, international zu rekrutieren, weil die Qualifikationen nicht vergleichbar sind.

Vorurteile gegenüber der Branche

 

Welche Vorurteile gegenüber der Gastronomie gibt es aus Ihrer Sicht? Welche Vorurteile sind gängig und weit verbreitet? Welche erscheinen Ihnen berechtigt/unberechtigt? Sind Vorurteile ein Grund, warum viele Azubis vor einer Ausbildung zurückschrecken? Wie kann man diese Vorurteile abbauen?

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir wahre oder vermeintliche Vorurteile gegenüber der Branche nicht dadurch verstärken wollen, dass wir über sie spekulieren oder sie wiederholen.

Was man generell sagen kann: Jede Branche, jeder Beruf hat schöne, aber auch herausfordernde Seiten. Jede Berufseinsteigerin, jeder Berufseinsteiger muss für sich überlegen und entscheiden, was ihm oder ihr wichtig ist. Im Gastgewerbe sollte man sich beispielsweise darauf einstellen, dass man nicht mit „nine to five“-Büroarbeitszeiten rechnen kann. Das hat aber auch Vorteile, weil man z.B. unter der Woche Erledigungen machen kann, wegen eines Arzttermines keinen Urlaubstag nehmen muss oder bei Freizeitaktivitäten nicht in langen Schlangen anstehen muss. Dem Nachwuchs rate ich unbedingt, den zukünftigen Ausbildungsbetrieb genau anzuschauen, die sozialen Medien zu nutzen und am besten vorher ein Praktikum dort zu machen. Dann kann man die Realität einschätzen und hat mit Vorurteilen nichts zu tun.

Ist der Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“ aus Ihrer Sicht ein gängiges Vorurteil?

Ist es nicht unglaublich wie lange sich solche inhaltlich sinnfreien Sprüche im Hinterkopf manifestieren, nur weil sie sich reimen? Das ist ein alter Spruch, der mit der Realität im Jahre 2022 absolut nichts zu tun hat. Als erfolgreicher Gastronomen braucht man fundierte und vielfältige Kenntnisse und Fähigkeiten im fachpraktischen, wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Bereich. Das ist äußerst anspruchsvoll und fordernd – und gerade deshalb spannend. Ich erfahre Tag für Tag, dass die Stellung unserer Branche in der Gesellschafhohe Wertschätzung erhält. Eine stetig wachsende Anzahl von Spitzengastronomie und -Hotellerie spricht für entsprechende Nachfrage nach gastgewerblichen Dienstleistungen.